Feuer und Flamme

29. November 2021
Sie gehen dorthin, wovor andere flüchten und riskieren ihre eigene Gesundheit, um andere Menschen zu retten….. Die Rede ist von den Atemschutzgeräteträgern einer Feuerwehr. Sie kommen immer dann zum Einsatz, wenn besondere Gefahr droht, giftige oder reizende Stoffe aufzunehmen. Das kann unter anderem bei einem Gasaustritt, Rauchentwicklung oder einem Brand sein. Ohne Atemschutzgeräteträger wäre ein normaler Feuerwehrdienst heutzutage nicht mehr denkbar. Aus diesem Grund werden regelmäßig Feuerwehrmänner und -frauen ausgebildet, diese Geräte zu Tragen und mit ihnen zu Arbeiten. So auch kürzlich vier Einsatzkräfte der Kasinger Wehr.

An einem frühen Samstagmorgen geht es los. Franz-Xaver Schuderer, Lena Krammer, Lisa Schuderer und Julia Rottenkolber treten im Atemschutzzentrum Lenting zum Lehrgang an. Vor ihnen liegt ein langer Tag voll mit theoretischem Unterricht, der ihnen die Grundlagen des Atemschutz näherbringt. Es geht um die Atmung, die Atemschutzausrüstung und Einsatzgrundsätze. Es wird die Handhabung der Pressluftatmer erklärt und die Anforderungen an einen Atemschutzgeräteträger vorgestellt. Vor der Ausbildung musste jeder Teilnehmer eine ärztliche Untersuchung, genannt G26.3, auf die körperliche Eignung bei einem Arzt durchführen. Erst durch die schriftliche Bestätigung wird man zum Lehrgang zugelassen. Aufmerksam lauschen die Feuerwehrleute den Worten der Ausbilder, da am Ende der Lehrgangswoche eine schriftliche Prüfung ansteht. Nach der Unterscheidung umluftunabhängiger und umluftabhängiger Geräte geht es zu einer ersten Gewöhnungsübung. Unter fachkundiger Anleitung lernen die Auszubildenden, wie man die Maske mit Atemanschluss richtig anlegt. Insgesamt 5 Kopfbänder müssen festgezurrt werden, um die Dichtheit des Atemanschlusses zu gewährleisten. Ist das nicht so, kann während des Atemschutzeinsatzes aufgrund des herrschenden Überdrucks unnötig Atemluft aus der Flasche verloren gehen und so die Arbeitszeit der Einsatzkräfte verkürzt werden. Zur Gewöhnung an die erschwerte Atmung unter Atemschutz werden anfangs nur Filtergeräte angeschlossen. Und dann geht es raus auf den Hof und es heißt: im Laufschritt, marsch! Mit Treppenlaufen, Schubkarren fahren, Joggen und Parcourkrabbeln bringen die Ausbilder die Feuerwehrler ganz schön ins Schwitzen. Beim Ablegen der Filtergeräte und Masken holen alle erstmal kräftig Luft. Danach dürfen die Teilnehmer endlich an die Atemschutzgeräte ran. Als erster Schritt wird die Einsatzkurzprüfung, die vor jedem Anlegen des Gerätes durch den Träger selbstständig durchzuführen ist, behandelt. Während des Ablaufs wird neben dem Flaschendruck und der Hochdruckdichtheit auch die Warneinrichtung geprüft, die ab einer Restmenge zwischen 50 und 60 Bar ein akustisches Warnsignal abgibt, um dem Atemschützer zu signalisieren, dass bald die Luft ausgeht. Diese Einsatzkurzprüfung kann im Fall der Fälle entscheidend sein, weshalb die Lehrgangsteilnehmer diese wiederholt üben. Am Ende von Tag eins der Ausbildung haben die vier Kasinger Einsatzkräfte schon wahnsinnig viel gelernt, müssen das Ganze aber in den nächsten Tagen auch anwenden können.

Am Montagabend um 19 Uhr geht’s auch schon weiter. Heute steht der erste Durchgang der Belastungsstrecke des Atemschutzzentrums unter erschwerten Bedingungen an. Bevor es aber soweit ist, lernen die Feuerwehrler verschiedene Techniken zur Rettung seines Truppkameraden im Innenangriff mit den Werkzeugen, die man am Mann trägt. So zum Beispiel mit der Feuerwehrleine oder dem Tragetuch. Die Ausbilder machen aber deutlich, dass man im Notfall sehr kreativ werden kann. Das wichtigste ist, seinen Kameraden schnellstmöglich aus dem Gefahrenbereich zu schaffen. Außerdem steht für genau solche Notlagen ein Sicherungstrupp bereit, der augenblicklich zu Hilfe eilt. Jetzt wird es für die Lehrlinge, aber ernst: zum ersten Mal werden in vollständiger Einsatzkleidung die Pressluftatmer angeschlossen und die ersten Atemzüge aus der Atemluftflasche aufgenommen. Standardisiert sind die Flaschen mit 300 Bar gefüllt, was 1800 Litern Luft entspricht und den Einsatzkräften für 30 Minuten Einsatzzeit ausreicht. Die Atemluft der Flasche ist kühl und strömt angenehm erfrischend in die Maske. Einen letzten Schritt vor dem Einsatz stellt die gegenseitige Überpüfung auf korrekten Sitz der persönlichen Schutzausrüstung seines Truppkameraden dar. Franz-Xaver stellt sicher, dass Lenas Kopf vollständig von der Flammschutzhaube abgedeckt wird, der Helm richtig sitzt und auch alle Gurte des Pressluftatmers verstaut sind, sodass diese im Einsatz nicht stören könnten. Das gleiche macht Lisa mit Julia und wechseln sich dann ab. Bei fehlerhaftem Tragen der Kleidung kann es zu Verbrennungen durch die Hitze und zu Verbrühungen durch den entstehenden Wasserdampf beim Löschen kommen. Endlich dürfen die angehenden Atemschützer dann durch die Belastungsstrecke. Zuvor wird der Anrückeweg bis zur Rauchgrenze durch einen Fitnessraum simuliert, in dem jeder Teilnehmer unter Atemschutz 18 Meter auf der Endlosleiter, 150 Meter auf dem Laufband und ein kurzes Oberarmtraining hinter sich bringen muss. Schon jetzt hört man einige sehr tief und schwer durch den Lungenautomaten atmen. In Truppstärke absolvieren folgend alle den "Käfig". Auf Knien kriechend müssen die verschiedensten Hindernisse überwunden werden. Um das zu schaffen, ist Teamwork gefragt: man muss kriechen, sich durch Engstellen quetschen, Steigungen bewältigen und vor allem lernen, das Gerät auf dem Rücken einzuschätzen. Bei manchen wird gegen Ende die Luft knapp, sodass die Warneinrichtung zu pfeifen beginnt. Doch jeder schafft es!

Mittwochabend steht dann eine großangelegte Stationsausbildung an. Beim Schlauchmanagement üben die Anwärter im Lehrgebäude des Atemschutzzentrums, wie man im Innenangriff vorgeht. Wie öffnet man Türen aus der Deckung? Wann bringt man am besten den Rauchvorhang an? Wie viel Schlauchreserve sollte man einplanen? Das und noch viel mehr muss im Ernstfall bedacht werden. Schritt für Schritt arbeiten sich die Feuerwehrler unter Anleitung eines erfahrenen Ausbilders vor. Die Kommunikation zwischen den Trupppartnern stellt sich dabei als absolute Priorität heraus. Nach einer erneuten Übung der Handhabung des Pressluftatmers steht dann die erste Einsatzübung unter Atemschutz an. Die Trupps rüsten sich vollständig aus und stehen bereit. Auf den Befehl des Lehrgangsleiters rücken sie dann nacheinander vor. Ihre Aufgabe: Menschenrettung. Die Atemschutzgeräteträger führen gekonnt eine Türöffnung durch und befinden sich plötzlich in einem stark verrauchten Raum. Keine Sorge, es handelt sich nur um Übungsrauch. Doch auch dieser verwehrt den Lehrgangsteilnehmern den Blick in den großen Raum und fordert eine Menge Konzentration. Es ist schwer, die Hand vor Augen zu sehen, aber sofort beginnt die Suche nach den vermissten Personen. Ein Mann tastet sich Stück für Stück weiter in den Raum vor, der andere führt das Strahlrohr. Immer bereit Wasser abzugeben falls nötig. Die Atemschützer suchen den Raum im Uhrzeigersinn ab, kriechen unter Tische und tasten jeden Winkel ab. Dann endlich hört man den ersten Funkspruch: "Erste Person gefunden." Nacheinander bringen die einzelnen Trupps insgesamt vier Übungspuppen in Sicherheit. Alle Menschen wurden gefunden und gerettet. Gute Arbeit Jungs und Mädels! Doch dann das: Atemschutznotfall! Ein Kamerad aus dem letzten Trupp ist umgekippt, der Sicherungstrupp wird angefordert und muss noch einmal hinein. Nun ist das schon Gelernte gefragt. Mit schnellen und sicheren Handgriffen holen sie den bewusstlosen Kameraden ohne Probleme aus dem Gefahrenbereich. Diese Einsatzübung hat vielen der Feuerwehrmänner und -frauen ein Gefühl der Sicherheit gegeben, da das theoretische Wissen zum ersten Mal richtig angewandt wurde.

Am nächsten Tag bereiten sich Franz-Xaver, Lena, Lisa und Julia auf die schriftliche Prüfung vor. In 50 Minuten müssen die unterschiedlichsten Fragen zu Theorie und Praxis beantwortet werden. Im Lehrgangsraum herrscht Stille, jeder konzentriert sich auf seinen Fragebogen. Diese Prüfung ist entscheidend für das Bestehen der Ausbildung. Gleich darauf folgt sozusagen auch schon die praktische Prüfung: ein erneuter Streckendurchgang unter erschwerten Bedingungen. Gemeinsam kämpfen sich die Trupps durch die verschiedenen Hindernisse und meistern die Herausforderungen gekonnt. Beim zweiten Mal klappt das alles schon viel besser als beim ersten Durchgang. Alle freuen sich, die Strecke für dieses Jahr bewältigt zu haben. Diese Belastungsübung muss in Zukunft jedes Jahr einmal durchgeführt werden, um als Atemschutzgeräteträger einsatzbereit zu sein. Als letzter Punkt an diesem Tag steht das Strahlrohrtraining auf dem Programm, das die Ausbilder liebevoll "Hofballett" nennen. Es wird sich intensiv mit den komplexen Einstellungsmöglichkeiten und Eigenschaften des Hohlstrahlrohrs beschäftigt und eine spezielle Form des Fortbewegens bei Atemschutzeinsätzen erlernt. Der "seitliche Kriechgang" kommt vor allem bei unübersichtlichen und gefährlichen Situationen zum Einsatz. Der Kriechgang ermöglicht den Einsatzkräften ein sicheres Vorwärtskommen im brennenden Gebäude und lässt schnelle Reaktionen auf mögliche Durchzündungen zu. Die Feuerwehrler üben das extrem schnelle Bedienen des Strahlrohrs und eine kontrollierte und gezielte Wasserabgabe, da beides im Einsatz entscheidend sein kann. Auf das Kommando "Durchzündung!" lassen sich die Trupps augenblicklich nach hinten umfallen und öffnen das Strahlrohr im breiten Wasserschild, um sich selbst durch das Wasser zu schützen. Diese Übung wird so oft wiederholt, bis die Teilnehmer das Hohlstrahlrohr wie im Schlaf bedienen können. Jetzt erstmal aus den nassen Klamotten raus und dann ist für heute Feierabend.

Der folgende Samstag hält als letzter Lehrgangstag das Highlight schlechthin bereit: die Feuerwehrmänner und -frauen erleben zur Wärmegewöhnung die extreme Hitze in einem Brandcontainer, der bis zu 700 Grad angeschürt wird. Zuvor zeigen die Ausbilder im Lehrsaal anschauliche Videos zu den drei Brandphänomenen Rollover, Flashover und Backdraft, die im Inneneinsatz vorkommen können. Das beeindruckt die Feuerwehrler gewaltig und macht noch einmal sehr deutlich, dass das Thema Atemschutzeinsatz keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen ist. Kurz bevor es nun ernst wird werden die baldigen Atemschutzgeräteträger an der Wärmebildkamera weitergebildet. Die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten bieten die unterschiedlichsten Farbbilder auf dem Display. Die erfahrenen Ausbilder betonen aber stark, dass die Wärmebildkamera nur als Hilfsmittel anzusehen ist und keinesfalls eine Rückzugssicherung ersetzt. Nun endlich ist es soweit: es geht zum Brandcontainer. Heute ist es äußerst wichtig, dass die Schutzausrüstung an allen Ecken und Enden perfekt sitzt. Die Lungenautomaten werden angeschlossen, die angenehme Atemluft strömt in die Maske, der Schlauch wird mit Wasser gefüllt und los geht’s. Zusammen mit einem routinierten Ausbilder gehen die Einsatzkräfte im Trupp vor. Die Tür öffnet sich und die Hitze schlägt ihnen mit voller Wucht entgegen. Alle bleiben tief am Boden, da die Hitze ja bekanntlich nach oben steigt. Der Ausbilder gibt Tipps, wie man sich am besten verhält. Und dann wird gelöscht. Mit kurzen Sprühstößen wird das Feuer abgekühlt, sodass es Energie verliert. Doch der entstehende Wasserdampf dabei ist nicht zu unterschätzen. Selbst durch die spezielle dicke Einsatzkleidung der Atemschützer ist die Hitze nach einigen Minuten fast unerträglich und der Trupp rückt ab. Nun muss die Ausrüstung kontaminationsgerecht abgelegt werden. Das bedeutet, Ausrüstung sowie Kleidung darf nicht mit bloßen Händen angefasst werden. Der Pressluftatmer wird erst ganz zum Schluss abgeschlossen, um das Einatmen der giftigen Rauchpartikel zu verhindern und die gesamte Kleidung muss in einem luftdichten Sack verschlossen werden. Nach diesem verschwitzten und aufregenden Ausbildungsabschnitt haben sich die Männer und Frauen der Feuerwehren Eichstätts aber erstmal eine Dusche verdient.

Kreisbrandrat Martin Lackner erwartet die nun frisch ausgebildeten Atemschutzgeräteträger, darunter auch die vier Feuerwehrler aus Kasing, zur Zeugnisverleihung und gratuliert allen zum bestandenen Lehrgang. Er spricht seinen Dank für das Engagement aus und betont aber ernst: "Spielt bitte nicht die Helden. Ihr müsst sicher wieder nach Hause kommen, das ist das Wichtigste!"